Normalglühen
Das Normalgühen hat die Bildung eines von der Vorbehandlung unabhängigen, gleichmäßigen und möglichst feinkörnigen Gefüges mit rundlichem Korn zum Ziel. Bei unlegierten Stählen besitzt dieses Gefüge die beste Kombination von Festigkeits- und Zähigkeitseigenschaften. Dieser Zustand eines „Normalgefüges“ mit den ursprünglichen Festigkeiten und Zähigkeiten des Stahls lässt sich durch das Normalglühen immer wieder gezielt herstellen und reproduzieren, unabhängig von der Art des Ausgangsgefüges.
Herausfahren des Glühgutes aus dem Ofen nach Normalglühen
Herausfahren des Glühgutes aus dem Ofen
Mögliche Anwendungsfälle können z. B. sein, wenn ein kaltverformtes Gefüge mit in Walzrichtung gestreckten Gefügekörnern (als sogenannte „Walzstruktur“) in eine rundliche Struktur mit deutlich verbesserten Zähigkeits- und Verformbarkeits-Eigenschaften umgewandelt werden soll. Oder wenn ein durch Schweißen, Grobkorn- oder Rekristallisationsglühen zuvor entstandenes grobkörniges Gefüge unbedingt zu beseitigen ist.
Auch beim Stahlguss mit 0,15 % bis 0,35 % Kohlenstoff (C) und einer erhöhten Abkühlgeschwindigkeit nach dem Gießen ist das „Widmannstätten-Gefüge“ – mit seinen Ausscheidungen von nadeligen Ferritplatten entlang den Korngrenzen und innerhalb des perlitischen Grundgefüges – durch ein Normalglühen umzuwandeln, um die nachteilige schlechte Zähigkeit durch das derart entstandene Gußgefüge wieder zu beseitigen. Sofern die Verbesserung der Festigkeit und der Zähigkeit bei Baustählen nicht durch ein Vergüten realisiert werden kann, kommt ein Normalglühen ebenfalls zur Anwendung.
Unlegierte Stähle mit < 0,8 % C-Gehalten werden beim Normalglühen vollständig austenitisiert, wobei die Glühtemperatur 30 °C bis 50 °C oberhalb von Ac3 (G-S-Linie im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm) beträgt, also im Bereich von 800 °C bis 950 °C. Die Erwärmung soll zwischen 680 °C und Ac3 so schnell erfolgen, wie es das Werkstück zulässt. Übereutektoide Stähle mit mehr als 0,8 % C-Gehalt werden mit einer niedrigeren Temperatur von etwa 30 °C bis 60 °C über der Ac1-Temperatur (S-K-Bereich im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm, Ac1 gleich 723 °C) geglüht, um eine vollständige Austenitisierung zu vermeiden.
Stahlteile beim Abkühlen nach Normalglühen.
Stahlteile auf Schiene direkt aus dem Ofen nach dem Glühen.
Die Haltedauer beim Normalglühen sollte relativ kurz sein, damit die Bildung eines Grobkorns vermieden wird, gleichzeitig aber auch lange genug, um die benötigten Gefügeumwandlungen ablaufen lassen zu können. Als Richtwert orientiert man sich üblicherweise an einer Haltedauer von 60 Minuten plus maximale Werkstück-Wanddicke (in mm = min.).
Nach dem Ende der Haltezeit wird meistens zuerst an Luft außerhalb des Ofens bis ca. 600 °C abgekühlt, danach bis ca. 300 °C wieder im Ofen, um die Bildung von hohen Eigenspannungen zu vermeiden.
Wegen der Verzunderung und der Verformungsmöglichkeit dünnwandiger Bauteile wird das Verfahren häufig nur angewendet, wenn die eigenschaftsverbesserte Wirkung für die Bauteilsicherheit zwingend ist. Dies ist z. B. für bestimmte Erzeugnisse wie bei abnahmepflichtigen Teilen des Kessel- und Apparatebaus mit Wanddicken von größer 30 mm regelmäßig der Fall. Große Schmiedestücke und Walzwerkserzeugnisse sowie Stahlformguss oder geschweißte Offshore-Rohre werden ebenfalls häufig normalgeglüht.
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