Klarinettenmundstück mit Grenadillholz-Einsatz
Ein Interview mit Florian Walser, 2. und Es-Klarinette, Tonhalle Orchester Zürich.
RS: Florian, Du bist mit dem Tonhalle Orchester in dem Du die 2. und die Es-Klarinette spielst, kürzlich erst im Fernen Osten (China, Taiwan und Südkorea) auf Tournee gewesen. Als Instrumentenmacher hätte mich besonders interessiert, ob es am Zoll spezielle Prozedere für die Anmeldung der Streichinstrumente gab, deren Griffbretter ja aus Ebenholz sind. Und wurden Euch Holzbläsern Fragen zu Euren Instrumenten aus Grenadill gestellt?
FW: Der grösste Teil der Instrumente reist in Containern getrennt vom Orchester. Diese werden auf der ganzen Reise begleitet von einer Fachperson, die nur für die Verzollung und die Überwachung des Transports zu den Konzertorten zuständig ist. Insofern bin ich nicht genau im Bild, was unsere Fracht für Bedingungen bezüglich geschützten Holzarten nach dem CITES-Abkommen erfüllen musste. Die Kontrollen der Container waren in China, Taiwan und Südkorea extrem anspruchsvoll, beispielsweise durfte kein Korkfett im Etui sein und die Batterien mussten aus Stimmgeräten entfernt werden. Ich nehme immer ein Instrument im persönlichen Reisegepäck mit. Für dieses Instrument trage ich immer eine Quittung bei mir, die bestätigt, dass das verwendete Holz den Freihandelsabkommen und den Bestimmungen des CITES-Abkommens entspricht. Da ich das Instrument in Paris gekauft habe, habe ich auch die Kopie der Verzollung in die Schweiz dabei. Ich musste die Papiere aber noch nie vorweisen am Zoll.
RS: Gibt es nennenswerte kulturelle Unterschiede in der Orchesteraufführung bzw. Publikum?
FW: Oh ja
Da gibt es riesige Unterschiede! In China lernt das Publikum im Moment, wie wir uns im Konzert verhalten. Eine Konzerthälfte in Wuxi, einer grösseren Stadt ausserhalb Shanghais, habe ich im Publikum miterlebt. Da ist ein Kommen und Gehen, viel Personal, das sich bemüht, die Zuhörer zur Ruhe zu bringen, Leute die einfach reinspazieren und umständlich wieder hinausbefördert werden, und viele Beobachter, die jede Person, die das Handy hervorholt mit Laserpointern warnt. So blinken dauernd rundum rote Lichtpunkte auf. Das Konzert war kein Genuss. Auch ist der Applaus in China nicht frenetisch, wohl auch, weil nach dem letzten Ton jeder das Handy zückt. Bei unserem Openair-Konzert im Zentrum von Shanghai war auch extrem viel Kontrollpersonal anwesend. Man durfte sich etwa nicht an einen Baum lehnen oder auf den Boden sitzen. Vor und direkt nach dem Konzert wird Popmusik eingespielt, was offenbar den Leuten (und mir) sehr gefällt. Das Publikum wird in China ganz offensichtlich intensiv an die klassische Musik herangeführt. Ob diese Mission richtig oder fragwürdig ist, das muss wohl jeder für sich entscheiden. Die grosse Anzahl europäischer Gastorchester, die derzeit nach China reisen, zeigt, dass auch seitens der Orchester, Dirigenten und Solisten ein Interesse am chinesischen Markt besteht. Auf Grund all dieser Erlebnisse eines modernen Kontrollstaates lese ich gerade das neu erschienene Buch „Die Neuerfindung der Diktatur“ von Kai Strittmatter. Südkorea hinterliess einen ganz anderen Eindruck. Hier ist das Publikum sehr aufgeschlossen, begeistert, jubelt und steht nach dem Konzert in eine unendlich lange Schlange, um von Paavo Järvi und Khatia Buniatishvili ein Autogramm zu bekommen. Man hat zumindest als Kurztourist das Gefühl, dass die Menschen hier freier sind. Der Artikel im Tages-Anzeiger Magazin vom Samstag 17.11.18 über das Lebensgefühl der jungen Menschen in Südkorea ist aber erschreckend.